Das dritte Jahr Trockenheit in Folge machte den Reben erstaunlicherweise wenig aus. Selbst die frisch gepflanzten jungen Reben wuchsen gut, da es immer zur rechten Zeit etwas regnete. Das Defizit des Unterbodens konnte aber nicht aufgeholt werden, was sich bei der Lese mit sehr hohen Öchslegraden zeigte. Das trockene Jahr machte uns, vor allem im Öko-Weinbau, den Pflanzenschutz recht einfach. Nur die eingesäte Begrünung litt unter der Trockenheit.
Die Weinlese 2020 startete am 31. August mit der Ernte für Federweißen. Danach folgte ohne Pause die Lese für die Sektgrundweine und verschiedene Vorlesen. Übergangslos ging es am Montag, den 7. September weiter mit der Hauptlese, denn das Wochenende davor, überraschte uns mit einem ungewöhnlich hohen Anstieg der Zuckergehalte um 7 Grad Oechsle, was später einem Volumenprozent Alkohol entsprechen wird. Gewöhnlicher Weise steigt der Zuckergehalt in diesem Maße in acht bis vierzehn Tagen durch Photosynthese. Beschleunigt wurde der Zuckeranstieg dieses Jahr durch zusätzliche Eintrocknungseffekte aufgrund fehlenden Wassernachschubs der tiefen Wurzeln. Die Trauben wurden saftlos und verloren an Gewicht.
Diese Entwicklung spann sich fort: Tageshöchsttemperaturen bis zu 34°C und nie unter 25°C, keine schattenspendende Wolke am Himmel, kein Tropfen Regen und wenn, dann föhnig warmer Wind.
Der Klimawandel ist nicht mehr zu leugnen.
Dass in einer Woche alle Rebsorten gleichzeitig optimal reif sind, wäre vor 15 Jahren nicht denkbar gewesen. Die Weinlese damals erstreckte sich über 4-6 Wochen. Dieses Jahr war alles in 15 Tagen im Keller. Auch war in den zurückliegenden Jahren die Lese des Müller-Thurgaus immer der Auftakt. Dieses Jahr war er am 21. September das Schlusslicht.
Die Handlese startete bereits um 6.30 Uhr, um die kühlen Morgenstunden für kühles Lesegut zu nutzen. Und auch die maschinelle Lese konnte ausgenutzt werden, um zwischen 4 und 10 Uhr das gesunde Lesegut schnellstmöglich und kühl zu ernten. Nur mit Hilfe des Traubenvollernters konnten wir dieses Jahr den sehr kurzen optimalen Lesezeitpunkt treffen.
In den ersten sieben Tagen holten wir 71% der Erntemenge in den Keller, um unseren gewünschten Weinstil perfekt zu erzielen. Im Charakter liegen die Weine zwischen den Jahrgängen 2018 und 2019. Durch den ca. 20% geringeren Ertrag sind die Weine aber langlebiger, dichter und aromareicher. Die Ertragsminderung liegt ähnlich unserem coronabedingten Absatzausfall durch den Lockdown v.a. der Gastronomie.
Zusammenfassend sind wir mit der diesjährigen Weinlese rundum zufrieden. Alles lief schnell und ohne Zwischenfälle, alles konnte optimal verarbeitet werden und jeder 2020er Wein zeigt uns, dass wir alles richtig gemacht haben.
Martin Schmidt