Das Jahr 2019 startete mit einem Gefühlstief.
Denn beunruhigend war das Frühjahr, das sich nach dem großen Wasserdefizit des Vorjahres ebenfalls sehr trocken zeigte. Doch das Hochgefühl ließ nicht lange auf sich warten. Rechtzeitig zu Beginn der Vegetation setzte doch noch Niederschlag ein und unsere Begrünung in den Reben konnte wunderbar aufgehen. Niederschläge sind aber nicht immer gut. Gewitter drohten mit Hagel. Aber der neu initiierte Hagelflieger konnte Ende Mai mit zwei Flügen Hagel verhindern und auch bei kleineren Gewitterereignissenblieben wir von Hagelschäden verschont. Die Gewitter brachten folglich positive Regenfälle und so konnten unsere Reben dem sehr heißen Sommer trotzen und fast unbeschadet überstehen.Leichten Ausfall brachte nur das Eintrocknen einiger Trauben durch Überhitzung und Sonnenbrand an einzelnen, der Sonne ausgesetzten Beeren.
Die Lese startete am 2. September mit der Ernte für Federweißen. Den Beginn der Hauptlese zögerten wir sehr lange hinaus. Viel länger als andere Kollegen am Kaiserstuhl. Ob diese Entscheidung die richtige war, wussten wir lange nicht und ließ uns weiterhin im Wechselbad der Gefühle. Unsere Entscheidung über den späten Beginn der Lese begründen wir mit den sehr unterschiedlichen Reifegraden der Trauben. Die sonnenabgewandten Beeren waren noch viel zu unreif. Dieser Missstand war aber schnell behoben, fast schneller als uns lieb war. Zu Lesebeginn herrschte herrliches Herbstwetter: sonnig, trocken, föhnig. Das führte zu sehr schnellen Mostgewichtanstiegen. Plötzlich musste alles sehr zügig gehen. Zum ersten Mal freuten wir uns über Regen während der Lese, der nach vier Tagen einsetzte: eine natürliche, vom Himmel geschenkte, Stagnation der Mostgewichte. Die Lese lief trotzdem flott weiter. Wir waren nun hervorragend eingearbeitet. Zum Glück, denn wir mussten nochmal einen Zahn zulegen. Der Regen und die warm bleibenden Temperaturen drohten mit ersten Botrytisbefällen in den Burgundersorten. Das alles führte dazu, dass wir innerhalb von zwei Wochen 80% der Erntemenge eingeholt hatten.
Der Herbst 2019 war eine Diva: anspruchsvoll in allen Gebieten. Draußen musste aufgrund der unterschiedlichen Reifegrade stark selektioniert werden. 5-10% der Trauben wurden aussortiert. Im Keller war die große Menge die Herausforderung, die in kürzester Zeit angeliefert wurde und verarbeitet werden musste. Das Kellerteam wurde aber für seinen Arbeitseinsatz mit Musterkind-Mosten belohnt, die bei der Gärung keinerlei Probleme und somit wenig Arbeit machten.
Im Nachhinein sind wir sehr zufrieden mit unseren Leseplan-Entscheidungen und dem Herbst 2019. Trotz des späten Lesebeginns erwarten uns leichte und zarte Weine, die sich mit viel Frucht und einer belebenden Säure präsentieren. Die Gewinner des Jahres 2019 sind die Weiß- und Grauburgunder.
Auch der Ertrag ist eine Punktlandung: er liegt 3% über dem langjährigen Schnitt.
Als Neuheit haben wir 2019 das erste Mal Spätburgundertrauben für einen Strohwein geerntet. Die absolut gesunden Trauben trocknen nun in kleinen Kisten in unserem Lager und wir sind alle gespannt, was für einen Wein wir daraus zaubern können.
Nach vielen Hochs und Tiefs befinden wir nun im stabilen Hoch und freuen uns auf den 2019er Jahrgang.
Martin Schmidt